Advent 2021

Liebe Gemeindeglieder,

die Adventszeit ist auch eine düstere Zeit. Die Sonne hat ihre wärmende Kraft verloren. Die Nächte werden länger und die Tage kürzer. Wir sehen wieder zu, wie alles welkt und verdorrt und vergeht. All das trübt die Stimmung und macht düstere Gedanken. Jede und jeder von uns kennt solche Gedanken.

Gedanken, wie wir lieber ungedacht lassen würden, damit wir zur Ruhe kommen können. Aber so leicht ist das ja nicht. Denn sie drängen sich auf, wie ungebetene Gäste, belasten und brennen und schmerzen. Was kann da nicht alles aufbrechen und wehtun!

Da habe ich einen lieben Menschen verloren – und nun will ich ihn in Frieden lassen und zur Ruhe kommen. Doch ich merke, wie sehr er mir fehlt. Und das schmerzt. Oder ich bin alt und gebrechlich. Und ich kann mich nicht damit abfinden, dass vieles nicht mehr so geht, nichts mehr so ist wie früher. Mir fehlen Geduld und Kraft und Mut zum Weitermachen. Oder ich habe Schwierigkeiten mit meinem Lebenspartner. Unzählige Male habe ich schon versucht, ihn oder sie zu verstehen. Doch es hilft nichts. Und ich merke, dass ich abhängig bin von etwas, dass es da eine Eigenart oder Neigung in mir gibt, die mir im Wege steht und zwischen anderen und mir. Im Grunde muss ich dagegen ankämpfen. Aber ich merke, dass mir das nicht gelingt.

Unzählige solcher Erfahrungen gibt es, die uns so denken und sprechen lassen. Wir machen sie Tag für Tag. Erfahrungen, die uns ins Wanken bringen und unsere Herzen verzagen lassen. Fragen über Fragen. Und wie lautet die Antwort? Beim Propheten Jesaja heißt sie: Stärket die müden Hände und machet fest die wankenden Knie! Saget den verzagten Herzen: ´Seid getrost, fürchtet euch nicht! Seht, da ist euer Gott!` - Das ist die Antwort des Advent auf unsere Fragen und Sorgen. Der Hinweis auf den, der da kommt, um zu helfen. Seht,

da ist euer Gott, euer Helfer, er kommt! Aber wie kann uns das eine Hoffnung sein? Wie glaubt man das, was der Advent verspricht? Dazu eine kleine Geschichte:

Einst lebte ein Zimmermann, den eines Abends auf seinem Heimweg ein Freund anhielt und fragte: „Mein Bruder, warum bist du so traurig?“ „Wärst du in meiner Lage, du empfändest wie ich“, sagte der Zimmermann. „Erkläre dich“, sprach der Freund. „Bis morgen früh“, sagte der Zimmermann, „muss ich elftausendelfhundert Pfund Sägemehl aus Hartholz für den König bereit haben oder – ich werde enthauptet!“ - Der Freund lächelte und legte ihm den Arm um die Schulter. „Mein Freund“, sagte er, „sei leichten Herzens. Lass uns essen und trinken und den morgigen Tag vergessen. Der allmächtige Gott wird, während wir ihm Anbetung zollen, statt unser des Kommenden eingedenk sein“. - So gingen sie zum Haus des Zimmermanns, wo sie Weib und Kind in Tränen fanden. Den Tränen ward Einhalt getan durch Essen, Trinken, Reden, Singen, Tanzen und allsonstige Art von Gottvertrauen und Hoffnung. Aber inmitten des fröhlichen Tuns fing des Zimmermanns Weib zu weinen an und sagte: „So sollst du denn, mein lieber Mann, in der Morgenfrühe enthauptet werden, und wir alle vergnügen uns indessen und freuen uns an der Güte des Lebens. So steht es also.“ „Denke an Gott“, sprach der Zimmermann, und der Gottesdienst ging weiter. Die ganze Nacht hindurch.

Als nun Licht das Dunkel durchdrang und der Tag anbrach und die Hähne krähten, wurde ein jeglicher schweigsam und von Kummer und Angst befallen. Die Diener des Königs kamen und klopften sacht an des Zimmermanns Tür, und der Zimmermann sprach: „Jetzt werde ich sterben“, und öffnete. „Zimmermann“, sagten sie, „der König ist tot. Mache ihm einen Sarg!“

Liebe Gemeindeglieder, diese Geschichte vom Glauben wird sich nicht wiederholen. Aber Ähnliches lässt sich immer wieder erfahren, seit Abrahams Zeiten, auf immer neue und unverwechselbare Art und Weise. Von uns allen, von jedem und jeder einzelnen, wenn wir müde

sind oder ins Wanken geraten, wenn Sorge, Angst und Trauer uns den Atem nehmen wollen.

Gottes Hilfe kann ganz anders aussehen, als wir uns das gerade vorgestellt haben. Berechenbar ist sie nicht. Aber verlässlich. Der, der da kommt, um zu helfen, ist da. Und er mutet uns zu, ihm unbedingt und grenzenlos zu vertrauen. So wie der Zimmermann und sein Freund. „Denke an Gott“, sprach der Zimmermann, und der Gottesdienst ging weiter.

Ich wünsche Ihnen und Euch allen solchen Advent!

Herzliche Grüße, Ihr und Euer Pfarrer Friedemann Bublitz